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Begriffsdefinitionen
Antwort auf: Re: Paratypus ?? ()

Hallo Jürgen et alii,

muß ich vielleicht ein paar Ergänzungen einwerfen (ich bin am Wochenende ohne Internet zu Hause):

  • Im Glossar http://www.lepiforum.de/cgi-bin/lepiwiki.pl?Glossar Fehlschreibung (bitte korrigieren): Nicht „Galae“, sondern Galea (Pl.: Galeae) — der Reflex, in latinisierten Fachbegriffen immer ein „ae“ zu schreiben, spielt einem schon mal Streiche ... ;)

    Hier einige Ergänzungen und Anmerkungen zu den Typendefinitionen von weiter oben in dieser Kommunikationskette (die blauen Texte kann man vielleicht [nach redaktioneller Überarbeitung?] ins Glossar einstellen?); die Begriffe sind hier „für den Hausgebrauch“ im Forum dargestellt, und ich habe nicht alle Details aus dem Code zitiert, deswegen muß man, wenn man ernsthaft taxonomisch arbeiten will, schon direkt im Code nachlesen (geht in Englisch auch online im Internet: http://www.iczn.org/iczn/index.jsp !).

    Man muß drei Arten von taxonomisch definierten Typen unterscheiden:

  • 1. namenstragende (= primäre) Typen:

    a) Holotypus: Die von Ruedi nach Mayr zitierten Definitionen sind generell nicht ganz aktuell nach der neuesten Auflage des Codes [ICZN 1999, deutsche Ausgabe 2000], deswegen ergänzt und geändert: Holotypus ist das Einzelexemplar, das vom Autor in der Urbeschreibung als namenstragendes Einzelstück festgelegt wurde; diese originale Festlegung ist heute zwingend vorgeschrieben. Bei älteren Arbeiten, in denen eine Festlegung zeitbedingt noch nicht vorgenommen wurde, gelten folgende „Ersatzmaßnahmen“: Dasjenige Einzelexemplar, das vom ursprünglichen Autor in der Originalbeschreibung als „der Typus“ bestimmt oder durch anderweitig eindeutige Formulierung in der Originalbeschreibung (einschließlich Abbildungstexte) markiert worden ist (auch das gilt noch als „originale Festlegung“); außerdem liegt ein Holotypus automatisch auch immer dann vor, wenn dem ursprünglichen Autor ausdrücklich nur ein einzelnes Exemplar der neuen Art vorlag (Holotypus durch Monotypie). All das muß aber stets zweifelsfrei direkt aus der Originalbeschreibung hervorgehen, nicht aus sekundären Quellen!

    b) Syntypen: Wenn der Autor in der Originalbeschreibung die Anzahl der ihn vorliegenden Exemplare, die er zur neuen Art oder Unterart gerechnet hat, nicht angegeben hat und kein Einzelexemplar als Holotypus (oder früher „Typus“) im Text (nicht auf Etiketten!) ausdrücklich ausgezeichnet hat, dann ist die gesamte Serie (also zwischen mindestens einem und ungezählt vielen Exemplaren!) eine Syntypenserie. Alle Tiere gemeinsam sind namenstragend. Weil das stets etwas gefährlich ist (oft genug waren Typenserien aus mehr als einer Art gemischt!), empfiehlt es sich im Rahmen einer Revision, einen

    c) Lectotypus festzulegen: Lectotypus ist dasjenige Einzelstück aus einer Syntypenserie, das von einem späteren Bearbeiter als das namenstragende ausgewählt wurde. (Wobei die Zugehörigkeit zur Syntypenserie gründlich nachgeprüft und diese Nachprüfung im Detail angegeben werden sollte.) Diese Festlegung gilt auch dann, wenn man nur einen einzigen Syntypus finden kann, aber der urbeschreibende Autor keine Anzahl angegeben hat. Die übrigen Syntypen werden durch diese Festlegung automatisch zu Paralectotypen (siehe unten).

    d) Neotypus: Wenn nachweislich (und der Code legt hierbei und an die anderen Bedingungen sehr scharfe Maßstäbe an, die unbedingt einzuhalten sind, wenn ein Neotypus valide sein soll; ich führe diese Details hier nicht an, man lese im Zweifelsfall den einschlägigen Artikel 75 des Codes nach!) die namenstragenden Typen (= Holotypus, Syntypen, Lectotypus) verschwunden sind und es im Sinne der Stabilität der Nomenklatur notwendig ist, dies zu tun (und einige weitere Bedingungen erfüllt sind), dann kann man (nur im Rahmen einer [Teil-]Revision!) einen namenstragenden Neotypus festlegen.

  • 2. nichtnamenstragende, aber im Code definierte (= sekundäre) Typen:

    a) Paratypus: Paratypen sind all die Stücke aus der dem urbeschreibenden Autor vorliegenden originalen Serie, die von ihm als solche festgelegt und nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurden (heute ist die Festlegung durch den urbeschreibenden Autor ausdrücklich vorgeschrieben!). „Ersatzweise“ bei älteren Arbeiten alle diejenigen Stücke, die in der Urbeschreibung erwähnt, aber nicht ausdrücklich als „Typus“ oder ähnlich hervorgehoben wurden.

    b) Paralectotypus: Paralectotypen sind all die Syntypen, die nach der Festlegung eines Lextotypus übriggeblieben sind; diese werden automatisch durch die Lectotypenfestlegung zu Paralectotypen (also auch Exemplare, die bei der Lectotypenfestlegung dem festlegenden Autor nicht vorlagen).

  • 3. „Typen“ ohne ausdrücklichen Status nach den Nomenklaturregeln (damit taxonomisch-nomenklatorisch unverbindlich):

    a) „Allotypus“: „Allotypus“ ist ein in der Originalbeschreibung ausgezeichneter einzelner Paratypus vom anderen Geschlecht als der Holotypus, der von manchen Autoren quasi als „der Holotypus des anderen Geschlechts“ verstanden wurde. Dieser Begriff ist nicht im Code definiert und damit wertlos!

    b) „Neallotypus“: Ein „Neallotypus“ ist ein in einer späteren Publikation beschriebener Falter des anderen Geschlechts (sofern in der Urbeschreibung nur Vertreter eines Geschlechts vorlagen). Dieser Begriff ist im Code nicht mal erwähnt und damit nicht nur ungültig, sondern praktisch nichtexistent und sollte keinesfalls benutzt werden!

    c) „Topotypus“: Ein „Topotypus“ ist ein Exemplar vom Typenfundort, das nicht in der Typenserie in der Urbeschreibung aufgelistet wurde. Dieser Begriff hat keinen nomenklatorischen Status!

    c) „Cotypus“: Ein „Cotypus“ ist ein Begriff auf alter Literatur: er wurde von vielen Autoren quasi wie ein Vorläufer des Begriffs Paratypus benutzt, aber weniger streng definiert; manche Autoren (Staudinger war dafür berüchtigt!) haben auch später, nach der Publikation der Urbeschreibung, nachgefangene Falter noch als „Cotypen“ verkauft. Man findet diesen Begriff noch auf Etiketten an vielen alten Faltern. Dieser Begriff ist heute nicht mehr gültig und sollte keinesfalls benutzt werden!

  • 4. Einige weitere Begriffserklärungen (mit Schwerpunkt auf dem Artlevel; die höheren Level spreche ich hier nur bedingt an):

    a) Typenfundort: Der Typenfundort oder Locus typicus ist per definitionem der Fundort des primären Typus (= Holotypus, Lectotypus, Neotypus; bei Syntypen = die Summe aller einzelnen Syntypenfundplätze) der Art oder Unterart. Also nicht irgendwelche in Sekundärquellen vermutete Orte, sondern der tatsächliche Fundort eines Einzelstücks, soweit rekonstruierbar.

    b) Typusart: Die Typusart einer Gattung, die heutzutage zwingend in der Urbeschreibung der Gattung festzulegen ist, ist diejenige Art (zitiert in der Originalkombination, also mit der Gattung, in der sie ursprünglich beschrieben wurde), die als Typusart vom Originalautor festgelegt wurde (= originale Festlegung). Ersatzweise bei älteren Arbeiten gelten auch Typusartfestlegungen, die durch spätere Publikationen im Einklang mit den Nomenklaturregeln (siehe ICZN, Artikel 61 ff.) festgelegt wurden (= spätere Festlegung). Prinzipiell und sinngemäß dasselbe gilt für die Typusgattung einer Familie etc.

    c) Synonym: Die Definition von Jürgen war nicht ganz richtig: Ein Synonym ist ein zweiter (oder allgemein ein zusätzlicher von mehreren) Namen, der derselben Art oder Unterart gegeben wurde wie ein anderer; im Prinzip gültig ist jeweils der älteste, sofern dieser nicht ein Nomen oblitum ist. (Synonyme = mehrere Namen für dieselbe Art/Unterart.)

    d) Nomen oblitum/protectum [Plural Nomina oblita/protecta]: Zusammengehöriges Begriffspaar, siehe Code, Artikel 23: Ein Nomen protectum ist ein Name, der zwar formal eigentlich ungültig wäre (als jüngeres Synonym oder Homonym), aber wegen jahrzehntelangen Nichtbenutzens des eigentlich gültigen Namens (= Nomen oblitum: „vergessener Name“) dennoch Vorrang genießt und als einzig gültiger Name für die Art/Unterart zu benutzen ist.

    e) Nomen nudum [Plural Nomina nuda]: Ein Nomen nudum ist ein Name, der in der Originalbeschreibung nicht den Regeln des Codes entsprechend eingeführt wurde oder aus anderen Gründen ungültig ist; er ist praktisch nicht existent.

    e) Nomen novum [Plural Nomina nova]: Nomen novum siehe unter Homonymie.

    g) Homonymie: Eine Homonymie liegt dann vor, wenn innerhalb einer Gattung zwei verschiedene Arten den gleichen Namen haben, beziehungsweise innerhalb der Zoologie zwei Gattungen den gleichen Namen haben. (Die Geschichte ist relativ kompliziert, mit primären und sekundäen Homonymien etc., und ich erkläre hier nicht alle Aspekte; im Zweifelsfall nachfragen oder im Code nachlesen.) Bei Homonymen wird im Regelfall (jedoch Achtung, viele Sonderbedingungen!) für das jüngere Homonym, sofern es dafür nicht ein jüngeres Synonym gibt, das Verwendung finden kann, ein Ersatzname oder Nomen novum geschaffen. (Homonyme = mehrere gleichlautende Namen für verschiedene Tierarten innerhalb derselben Gattung, beziehungsweise auch auf höheren Levels, siehe Code, Art. 52 ff.)

    > Meinst Du die Kapitälchen? Das ist eine
    > typographische Regel, ebenso wie die
    > Kursivschrift von Gattungs-/Artnamen und
    > Unterartnamen.

  • Typografie: Der Code schreibt nur Kursivschreibung für alle Namen der Artengruppe (Arten, Unterarten) vor. Die Schreibweise von Autorennamen in KAPITÄLCHEN ist eine zeitschriftentypische Angelegenheit, die nichts mit dem Code zu tun hat.

    > Das habe ich hier im Forum auch schon mal
    > gefragt, und die einfache Lösung überraschte
    > mich: Erstbeschreiber + Jahr der
    > Erstbeschreibung stehen in runden Klammern,
    > wenn die Art inzwischen in eine andere
    > Gattung gestellt wurde. Eckige Klammern
    > werden benutzt, wenn Erstbeschreiber
    > und/oder Jahr der Erstbeschreibung aus der
    > Erstbeschreibungs-Publikation nicht direkt
    > herauslesbar sind, sondern aus anderen
    > Quellen erschlossen wurden.

    Im Grundsatz richtig:

  • Runde Klammern um Autor und Jahreszahl der Urbeschreibung hinter dem Artnamen: Die betreffende Art steht in dieser Kombination in einer anderen als der ursprünglichen (ursprünglich = in der Urbeschreibung so kombiniert) Gattung.

  • Eckige Klammern um Autor oder/und Jahreszahl: Erstbeschreiber und/oder Jahr der Erstbeschreibung sind nicht aus der Erstbeschreibungspublikation direkt herauslesbar, sondern müssen aus anderen, sekundären Quellen erschlossen werden.

    > P.S.: Die Anregung, die verschiedenen
    > Fachtermini zu den Typen ins Glossar der
    > Bestimmungshilfe zu übernehmen, kam kürzlich
    > auch von Wolfgang A. Nässig. Ich finde die
    > Idee grundsätzlich sehr gut, habe aber noch
    > Schwierigkeiten bei der Umsetzung, obwohl -
    > oder weil! - mir die offizielle deutsche
    > Übersetzung des ICZN vorliegt. Einfach
    > abschreiben geht nicht, und neu formulieren
    > ohne Fehler ist gar nicht so einfach.

    Vielleicht hilft das hier etwas weiter?

    Alles Gute
    Wolfgang

  • Beiträge zu diesem Thema

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    Re: Coleophora cf. frischella: Genitalpräparat *Bild*
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    Uff..
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    Zu hoch für mich!
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    Danke!
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    Re: Zu hoch für mich? Kann man lernen!
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    Ich will' s verstehen !!!
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    Re: @ Wolfgang: pro Staudingero
    @Administratoren
    Beleg kam heute zurück: kein Paratypus, sondern C. mayrella