Polyommatus coridon
Lepiforum: Bestimmung
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Forum 2: Alles außer Bestimmungsanfragen

Der Eulkönig *Foto*

(Mit Empfehlungen an Johann Wolfgang von G.)

Wer schreitet so spät durch Wald und Au?
Ein Nachtfalterjäger, man sieht es genau.
Den Ködereimer im Arm er hält,
seine Lampe die fahle Dämm'rung erhellt.

Er pinselt den Köder an Baum und Strauch
und an so manchen Zaunpfosten auch.
Der Rotwein duftet nach Zucker und Zimt,
der Falterjäger ist heiter gestimmt.

Schon bald ist der Köder aufgebraucht
und der Falterkenner sein Pfeifchen schmaucht,
erwartet die Nacht beim murmelnden Quell,
in der Ferne blitzt ein Gewitter grell.

Der Köderduft verteilt sich im Wald
und weckt die durstigen Falter bald.
Vor dem westlichen Himmel sieht man sie schwärmen
und dem Entomologen das Herz erwärmen.

Dann wird es Zeit für den ersten Gang,
es ist grad erst dunkel, die Nacht noch lang.
Die Lampe auf niedrigste Stärke gestellt,
damit auf die Falter kein Blendlicht fällt,

So naht er sich achtsam dem ersten Baum
ganz außen am vorderen Waldessaum.
Kein Blättchen darf rascheln, kein Ästchen zerbrechen:
mit schleunigster Flucht sonst die Falter es rächen.

Und richtig: Sie kommen; sie sind schon da.
Es sind heute mehr als er letztes Mal sah.
Die ersten c-nigrum sitzen zu viert
und batis hat auch schon vom Köder probiert.

Am nächsten Baum finden sich pallens und psi,
und eine detersa, ein ganz graues Vieh.
Es geht weiter mit morpheus, pulchrina und or,
eine gamma umschwirrt ihn als wollt‘ sie ins Ohr.

Auch Laufkäfer klettern die Stämme herauf
und Ameisen wuseln mitunter zuhauf.
Hier legt Meconema in die Rinde ein Ei,
dort schaut mal ein Tigerschnegel vorbei.

So sieht das Ergebnis ganz ansehnlich aus
doch die ganz große Seltenheit bleibt bisher aus.
Es ist zwar ein nettes Gedränge heute,
doch der Falterjäger pirscht auf andere Beute.

Auf fraxini hat er es abgesehen;
er sucht am Wegrand, wo Schwarzpappeln stehen,
er sucht am Mühlteich, wo Espen nicken,
doch kein Blaues Ordensband läßt sich blicken.

Dafür ist C. nupta in frischen Stücken
entlang des Baches und an den Brücken
an fast jedem Köderfleck angeflogen,
und sponsa, zu Dutzenden (ungelogen),

Sitzt neben promissa an alten Eichen –
wie sehr sich die beiden doch manches Mal gleichen.
So vergeht die Zeit, er merkt es kaum,
im regen Wechsel von Baum zu Baum.

Und Köderjäger, ja siehst du denn nicht
den Eulkönig dort im flackernden Licht?
Den Eulenkönig in Samt und Brokat?
Verzückt und verzaubert der Jäger sich naht:

Er sitzt fest am Stamme und fliegt nicht von dannen,
seine Schwingen klaftern fast zwei volle Spannen.
Auf nachtdunklem Braun glitzern hellere Schuppen
zwischen Querlinien in mehreren Gruppen.

Zwei Augenflecke von seltsamer Form
auf den Vorderflügeln imponieren enorm;
auch die hinteren tragen violettblaue Flecken,
schwarz und goldbraun gesäumt mit drei hängenden Ecken.

Mit kräftigem Rüssel schlürft er gierig den Köder,
dabei wippt der Körper ganz leicht auf und nieder.
Jeder Falter, der sich in die Nähe nur wagt
wird mit herrischem Flügelschlag gründlich verjagt.

Der Falterjäger mit glänzenden Augen
scheint den Anblick geradezu aufzusaugen,
bis er endlich aus seinem Staunen erwacht
und Gedanken über das Tier sich macht.

So fremd und exotisch wirkt dessen Gestalt, er
sah niemals zuvor einen ähnlichen Falter.
Der muß von weither wohl gekommen sein,
spontan fällt ihm da gleich Amerika ein.

Er weiß, diesen Fund muß er dokumentieren,
es wär zwecklos, im Web drüber nur zu parlieren.
Ein Foto nützt wenig, da könnte man „Fake“ schreien,
Nur ein Falterbeleg kann solider Beweis sein.

Sehr vorsichtig zieht er das Netz nun heraus
entfaltet es sorgsam und holt weit aus.
Ein Schlag – nach vorn, dann kreuz, dann quer –
dann der Blick ins Netz – aber das ist leer!

Am Baum prangt nur noch der Köderfleck,
doch der Falter, der riesige, der ist weg.
Der Schreck fährt ihm in alle Glieder:
Diesen Falter siehst du niemals wieder!

Er wartet zwei Stunden und zieht noch mehr Runden
doch der Eulkönig ist und bleibt verschwunden.
Das Tier könnte schon kilometerweit weg sein,
allein der Gedanke bereitet ihm Pein.

Die Selbstvorwürfe, die plagen ihn nun:
Nächstes Mal doch mehr Rum in den Köder tun?
Den Netzfang mehr üben? Die Rückhand trainieren?
Das gezielte Zuschlagen perfektionieren?

Und als ihm nichts andres mehr übrig bleibt
ihn die Müdigkeit endlich nach Hause treibt.
Er klettert ins Bett und ihm ist schier zum Heulen,
denn ihm entging heut ein König: der König der Eulen.

Doch nicht weit entfernt hat ein Langohr viel Glück:
Auf dem Flug in sein Tagesquartier zurück
schnappt es ungewohnt große und dicke Beute,
eine richtige Ausnahmemahlzeit heute.

Es zerbeißt den Chitinkörper mit leisem Knack
und genießt einen feinen Rotweingeschmack.
Vier prächtige Flügel segeln langsam herab
und finden im Staub unterm Dachstuhl ihr Grab.

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Das Braune Langohr (Plecotus auritus) ebenso wie das Graue Langohr (Plecotus austriacus) sind Fledermausarten, die überwiegend von Nachtfaltern leben. Sie verzehren die erbeuteten Tiere meist erst an ihren Fraßplätzen, nachdem sie ihnen die Flügel und Beine abgebissen haben. Dadurch bildet sich darunter am Boden oft eine ganze Schicht von Falterflügeln und Fraßresten.

Die große Eule Ascalapha odorata (früher auch Erebus odora) ist auf den ersten Blick ein düsteres Tier – die Amerikaner nennen sie Black Witch – aber bei genauerem Hinsehen fallen die Glitzerschuppen und die eigenartig geformten Augenflecken auf, bei den Weibchen auch noch eine weiße Querbinde auf jedem Flügel. Sie ist in Süd- und Mittelamerika verbreitet, kommt auch in den südlichen USA vor und erscheint als Wanderfalter weiter nördlich bis Kanada. Ich habe meine erste Ascalapha odorata mit 23 Jahren in Colorado in den Vorbergen der Rocky Mountains an einem Köderbaum gesehen – eine unvergeßliche Begegnung. Ich mußte zur Unterkunft zurücklaufen, um ein größeres Glas zu holen, weil ich auf ein derartig großes Tier nicht vorbereitet war.
In Europa gibt es fünf Nachweise, von denen einer sicher auf Einschleppung zurückgeht: ein Falterfund 1899 im Orchideenhaus von Kew Gardens, London. Zum Teil könnten es aber auch verdriftete Falter gewesen sein, denn sie nutzen günstige Luftströmungen für Wanderungen und die meisten Funde liegen bei uns im atlantischen Bereich (zwei in Spanien und je einer in Frankreich und Dänemark). Gelegentlich werden sie wie manche Kleinvögel im Randbereich von Hurricans verschleppt. Wie dem auch sei, in Europa ist eine Begegnung mit Ascalapha odorata ein Ereignis, dessen Wahrscheinlichkeit gegen Null tendiert.

Beiträge zu diesem Thema

Der Eulkönig *Foto*
(c) Axel Steiner? super *kein Text*
Oui, oui, mademoiselle. :) *kein Text*
großartig! *kein Text*
"Der Eulkönig" von Johann Axel von Steiner. Super ! Schöne Grüße, Ralf. *kein Text*
Wunderbar geschrieben!
ich bin beeindruckt, vielen Dank dafür! *kein Text*