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Nun komme ich zu einem Geschöpf, das selbst den verhärtetsten "Mottenhasser" zum Schmelzen bringen würde. Meine Damen und Herren, ich präsentiere: den schönsten Zünsler der Welt!
Aber weil ich persönlich nun mehr an den Raupis interessiert bin, kommen die natürlich und in aller Ausführlichkeit zuerst. (Wer ungeduldig ist, kann gerne zum Ende vorscrollen.)
Nach den Minen dieses Natternkopf-Liebhabers hatte ich schon einige Male gesucht, aber, das muss auch gesagt sein, nicht in aller Ernsthaftigkeit und oft auch zur falschen Jahreszeit.
In diesem Frühling war es dann endlich so weit und ich fing an zu träumen, als ich im April die ersten Minenflecke an Natternkopf (Echium vulgare), mehrheitlich an den Blattspitzen positioniert, eintrug:
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Wenn die Blattenden beschädigt waren, gab sich die Raupe auch mit dem mittleren Bereich zufrieden:
Daten bis hierher: Deutschland, Niedersachsen, Hannover, 50 m, Kugelfangtrift (bodensaurer Magerrasen), Minen an Natternkopf (Echium vulgare), 20. April 2021 (det. & fot.: Tina Schulz)
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Da ich aber weiß, dass es immer Viehzeugs aus anderen Insektenordnungen geben kann, das einem die Freude vermiest (Fliegenschiss zum Beispiel: http://www.lepiforum.de/2_forum.pl?md=read;id=43091 ), hielt ich erstmal den Ball flach und übte mich in Geduld. (Thomas weiß, wie schwer mir das fällt...)
Die abgeschnittenen minierten Blätter hielt ich einige Tage in einem kleinen dichtschließenden Gefäß.
Sie blieben so flach wie sie waren, und unter "stark blasig aufgetrieben", wie es zu Cynaeda dentalis immer heißt, stelle ich mir etwas anderes vor. Sie waren nur minimal geschwollen und wie ich bald feststellte, mit Seide ausgekleidet. Als ich nämlich merkte, dass die Tiere die Mine selbstständig wechselten, aber so, dass sie sich vom alten direkt ins neue Blatt einfraßen, sodass beide Blätter verbunden waren, brachte mich die Neugier dazu, reinzuschauen.
Und die Enttäuschung überrollte mich: keine elfenbeinfarbenen und kontrastierend dunkel pinaculierten Raupen empfingen mich, sondern etwas, das ich als Cnephasia sp. zu erkennen glaubte! War auch genauso fix unterwegs wie die Wicklerraupen.
Wie fies, dachte ich. Und: Gut, dass ich mich nicht zu früh gefreut hatte.
8 mm: Deutschland, Niedersachsen, Hannover, 50 m, Kugelfangtrift (bodensaurer Magerrasen), leg. Minen 20. April 2021, Zuchtfotos 23. April 2021 (cult., det. & fot.: Tina Schulz)
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5 mm: Deutschland, Niedersachsen, Hannover, 50 m, Kugelfangtrift (bodensaurer Magerrasen), leg. Minen 20. April 2021, Zuchtfoto 24. April 2021 (cult., det. & fot.: Tina Schulz)
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Doch dann erwischte ich eine Raupe in Häutungsruhe, bei der ich wieder Hoffnung schöpfte:
10 mm: Deutschland, Niedersachsen, Hannover, 50 m, Kugelfangtrift (bodensaurer Magerrasen), leg. Minen 20. April 2021, Zuchtfotos 24. April 2021 (cult., det. & fot.: Tina Schulz)
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Und Anfang Mai, bei einem weiteren Fototermin durfte ich dann endgültig aufjauchzen. Ich hatte ihn gefunden, den schönsten Zünsler der Welt! YES!
Die Raupen verstecken sich übrigens bei Inaktivität dort, wo sich der meiste Kot ansammelt - der wird nämlich durchaus fast in der ganzen Mine verteilt.
Und später schwollen die Blattwohnungen doch noch an. Scheinbar sind nur die Jugendminen flach.
10 mm: Deutschland, Niedersachsen, Hannover, 50 m, Kugelfangtrift (bodensaurer Magerrasen), leg. Minen 20. April 2021, Zuchtfotos 1. Mai 2021 (cult., det. & fot.: Tina Schulz)
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10 mm: Deutschland, Niedersachsen, Hannover, 50 m, Kugelfangtrift (bodensaurer Magerrasen), leg. Minen 20. April 2021, Zuchtfotos 1. Mai 2021 (cult., det. & fot.: Tina Schulz)
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Die "Cnephasienraupe" erwischte ich kurz nach einer Häutung und war von meiner Theorie weiterhin überzeugt. Zumal einige Cnephasienarten ja bekanntermaßen als Jungraupe minieren.
Andererseits war sie für eine "Jungraupe" doch bereits ganz schön groß... erste Zweifel schlichen sich ein.
Deutschland, Niedersachsen, Hannover, 50 m, Kugelfangtrift (bodensaurer Magerrasen), leg. Minen 20. April 2021, Zuchtfoto 1. Mai 2021 (cult., det. & fot.: Tina Schulz)
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Und dann musste ich mir "leider" bald meinen Irrtum eingestehen, denn nach einer weiteren Kontrolle hatte sich das fragliche Individuum plötzlich in eine dentalis-Raupe verwandelt!
Verrückt, wie ähnlich sich die beiden sehen können. So spontan fällt mir vor allem das im Verhältnis zum Körperdurchmesser mächtigere Nackenschild auf, das sich bei Cnephasienraupen eher nicht so prominent ausprägt.
Die Zucht hatte ich dann in den Garten ausgelagert, an einen gewilderten Natternkopf (danke nochmal, Thomas!). Dort setzte ich die Raupen aus und wartete.
Und es klappte. Sie arbeiteten sich von Blatt zu Blatt vor, verbanden diese miteinander, sodass Blatt-Tunnel und -Knäuel entstanden.
Deutschland, Niedersachsen, Hannover, 50 m, Kugelfangtrift (bodensaurer Magerrasen), leg. Minen 20. April 2021, Zuchtfotos 7. Juni 2021 (cult., det. & fot.: Tina Schulz)
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Als ich vor wenigen Tagen eine Puppe zu "ernten" versuchte, fand ich noch eine Raupe vor, sah also von weiterer Suche ab.
Und heute wurde ich sehr überrascht, als ich beim Gießen einen Falter an der Pflanze hängen sah!
Nun kommt also der A(uge)nblick, auf den die meisten nur gewartet haben dürften:
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Nach der Auswilderung im Garten (auch dort blüht derzeit Natternkopf auf, hach):
Kopf-Apex 15 mm: Deutschland, Niedersachsen, Hannover, 50 m, Kugelfangtrift (bodensaurer Magerrasen), leg. Minen 20. April 2021, Falterschlupf 26. Juni 2021 (cult., det. & fot.: Tina Schulz)
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Ihr dürft gerne in Ohnmacht fallen, ich war auch kurz davor.
Wenn ihr jemanden kennt, der mit "Motten" nichts anzufangen weiß: stellt ihm den Zahnbindenzünsler vor...
Aufseufzenden Gruß,
Tina.