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Guten Abend Sabine, Jürgen und alle Interessierten
Ich bewundere ganz aufrichtig euer Ringen um eine Unterscheidung von M. lacteella und M. propinquella. Dies veranlasst mich, meine Gedanken dazu darzulegen, der Sache aus meiner subjektiven Sicht etwas auf den Grund zu gehen.
Wir sprechen hier von zwei sehr ähnlichen Arten, deren Variationsbreiten einander zum Mindesten berühren oder gar etwas überschneiden. Auf diese Voraussetzung gründen meine nachfolgenden Überlegungen. (Übrigens sind auch in den Genitalstrukturen die Unterschiede der beiden Arten minim, jedenfalls bei den Männchen.) In solch kritischen Fällen habe ich – gerade auch durch meine Erfahrungen mit den Bestimmungen im Lepiforum – irgendwann begriffen, dass ich mich mit Namensnennungen zurückhalte, wenn ich nur über eine oder wenige Fotos verfüge. Da war ich vor einigen Jahren im Lepiforum viel zu unvorsichtig und ich habe umgelernt. Blosse Vermutungen möchte ich nicht mehr äussern.
Für eine sichere Determination will ich das Tier leibhaftig vor mir haben, will es drehen und wenden, unter verschiedenem Lichteinfall betrachten und vor allem mit andern Belegsexemplaren direkt vergleichen können. Dann springt vielleicht auch ein Name heraus. Und wenn trotzdem keine Sicherheit zu erreichen ist, dann mache ich eine Genitaluntersuchung. Das alles geht nun mal bei einem Bild nicht, und sei es noch so gut geglückt.
Es gibt immer wieder Tiere, die uns den Gefallen tun, alle Charakteristika in bester Ausprägung zu präsentieren. In solchen Fällen kann ein Bild für eine Determination tatsächlich genügen. Im Gesprächsfaden werden solche Charakteristika für beide Arten herausgearbeitet:
M. propinquella: Einheitlich weisse Färbung von Kopf, Thorax und Flügelwurzel, wobei die Definition von "Weiss" einen Interpretationsspielraum lässt (schneeweiss, elfenbeinweiss, … sind darum die von mir ins Gespräch gebrachten Begriffe). Keine Verdunkelung am Thorax-Vorderrand, und auch unter "Verdunkelung" verstehen nicht alle dasselbe. Hinzu kommt das von euch aufgestellte Merkmal der mehr braunroten Fransen im Apex der Vorderflügel (scheint ein gültiges Unterscheidungsmerkmal zu sein!).
M. lacteella: Gelbweissliche bis ockergelbe Färbung von Kopf, Thorax und Flügelwurzel. Dazu deutliche Verdunkelung des Thorax-Vorderrandes, bestehend aus klar erkennbaren braunen bis schwärzlichen Schuppen bzw. Haaren. Und schliesslich die grauen bis schwärzlichen Fransen im Apex der Vorderflügel, welche keinen oder nur einen sehr geringen Farbstich ins Rötliche zeigen.
Ich habe je einen meines Erachtens typischen Falter der beiden Arten ausgewählt und bilde sie in zwei etwas verschiedenen Blickwinkeln ab. Ich hoffe, all die beschriebenen Merkmale können an diesen beiden Tieren erkannt werden.
Zuerst M. propinquella:
Funddaten: Schweiz, Bern, Saicourt, 820 m, 18. Juli 2012, Männchen, Lichtfang (leg., det. & Foto: Rudolf Bryner).
Als zweites M. lacteella:
Funddaten: Schweiz, Bern, La Neuveville, 800 m, 4. Juli 2011, Männchen, Lichtfang (leg., det. & Foto: Rudolf Bryner).
Nun zu den im Verlauf der Diskussion angesprochenen Bildern.
Die beiden unterdessen aus der Bestimmungshilfe entfernten Lebendaufnahmen von M. lacteella waren meines Erachtens sehr untypisch. Es gibt gute Gründe, sie auch als M. propinquella anzuschreiben. Vielleicht handelt es ich auch tatsächlich um M. propinquella. Ohne GU bleibt das aber eben unklar. Und nur darum geht es letztlich. Sind wir uns der Sache sicher? Oder sind wir es nicht?
Zum Falter von Sabine Flechtmann ( http://www.lepiforum.de/2_forum_2013.pl?page=1;md=read;id=23777 ) habe ich dasselbe zu sagen. Für mich ist das, was ich sehe widersprüchlich:
Die gelbe Thoraxfärbung spricht für M. lacteella. Dagegen spricht aber für mich die fehlende Verdunkelung zum Vorderrand hin. Ich kann da einfach keine dunklere Beschuppung/Behaarung erkennen, so wie sie bei all meinen Belegstieren auftritt. Bei Sabines Tier geht das Gelb lediglich in ein grauweiss über, ohne eigentlich dunkler zu werden. Könnte das nicht als eine Abnützung, als Fehlen von Schuppen und Haaren interpretiert werden?
Ich habe oben geschrieben: "Es gibt immer wieder Tiere, die uns den Gefallen tun, alle Charakteristika in bester Ausprägung zu präsentieren. In solchen Fällen kann ein Bild für eine Determination tatsächlich genügen."
Diese Bedingung erfüllt das Tier von Sabine für mich nicht. Darum bin ich so unerschütterlich skeptisch und lasse mich zu keinem Namen hinreissen. Ich will überhaupt niemandem zu nahe treten. Die Aufnahmen dürfen auch in die Bestimmungshilfe eingebaut werden. Aber bei welcher Art sie in diesem Fall auch erscheinen werden: Das Tier bleibt für beide untypisch und ist ohne GU eben nicht sicher determiniert. Ich finde es wenig hilfreich, wenn man unter diesen Umständen eine angebliche Variationsbreite für die eine oder die andere Art erklären will.
Mit besten Grüssen
Ruedi